Recht auf Einsicht in die Personalakte ist nicht übertragbar

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Der Arbeitnehmer allein hat das Recht, seine Personalakte einzusehen. Grundsätzlich ist dieses Recht nicht auf Dritte, auch nicht auf einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder Gewerkschaftssekretär übertragbar. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet daran gehindert ist, die Personalakte einzusehen. Dies hat das LAG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 17. April 2014 (Az.: 5 Sa 385/13) entschieden.

Die 53-jährige Klägerin war bei dem beklagten Arbeitgeber, ein Betreiber mehrerer Lebensmittelgeschäfte im Einzelhandel, seit 1989 als Fleischereifachverkäuferin beschäftigt. Ursprünglich stritten die Arbeitsvertragsparteien auch über die Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin. Nach einem Teilvergleich ging es in der Berufung vor dem LAG Schleswig-Holstein lediglich um die Frage, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Recht hat, ihre Personalakte einzusehen. Die Klägerin war der Ansicht, es sei angemessen, einen Fachwanwalt mit der Prüfung zu beauftragen, ob in der Personalakte Daten zu korrigieren oder zu beseitigen seien. Sie sei schließlich auch berechtigt, Aufzeichnungen anzufertigen und diese später ihrem Prozessbevollmächtigten vorzulegen.

In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Elmshorn ein Einsichtsrecht des Prozessbevollmächtigten bejaht.

Das LAG Schleswig-Holstein dagegen versagte dem Prozessbevollmächtigten das Recht, die Personalakte einzusehen. Das unstreitig bestehende Recht auf Einsicht in die Personalakte, das sich während des Arbeitsverhältnisses auf § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und nach Beendigung bzw. in Betrieben ohne Betriebsrat aus § 241 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 GG, Art. 1 GG ergibt, stehe dem Arbeitgeber nur persönlich zu. Weder Prozessbevollmächtigte noch sonstige Dritte dürften nach Ansicht des LAG trotz vorheriger Bevollmächtigung das Einsichtsrecht für den Arbeitnehmer wahrnehmen. Dies folge aus dem Wortlaut fes § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und der Systematik der § 83 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG. Gemäß § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitnehmer das Recht, ein Betriebsratsmitglied bei der Einsichtnahme in seine Personalakte hinzuzuziehen. Dem LAG zufolge bedeute “hinzuziehen” zum einen nur, dass gemeinsam Einsicht genommen werden darf. Zum anderen folge aus Satz 2 im Umkehrschloss, dass der Arbeitgeber nicht auch noch anderen Dritten, ob gemeinsam mit dem Arbeitnehmer oder allein, Einsicht gewähren muss.

Das LAG hält ein Einsichtsrecht eines konrekt bevollmächtigten Dritten in Ausnahmefällen jedoch trotzdem für möglich. Ein solches komme in Betracht, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet verhindert sei, das Einsichtsrecht wahrzunehmen, beispielsweise infolge Krankheit oder eines Auslandsaufenthaltes. Notwendig sei jedoch für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles, dass die sofortige Einsichtnahme erforderlich ist. In diesen Fällen könne der Arbeitgeber aus vertraglichen Fürsorgepflichten gegenüber seinem Arbeitnehmer dazu verpflichtet sein, Dritten die Einsichtnahme zu ermöglichen.

Spezialfall: Öffentlicher Dienst

Der Entscheidung des LAG zufolge ändere sich die rechtliche Bewertung auch nicht dadurch, dass die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes ausdrücklich ein Einsichtsrecht in die Personalakte durch Bevollmächtigte regeln (§ 3 Abs. 5 Satz 2 TVöD, § 3 Abs. 6 Satz 2 TV). Einer solchen ausdrücklichen Erweiterung des höchstpersönlichen Einsichtsrechts bedürfte es nicht, wenn der öffentliche Arbeitgeber aufgrund der vertraglichen Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet wäre, jedem Bevollmächtigten des Arbeitnehmers Einsicht in die Personalakte zu geben.

 

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